Willkommen auf meinem Blog

Auf dieser Seite findet ihr -in den verschiedenen Rubriken unter dem Titelbild- viele nützliche Infos rund um das Thema Vietnam und zudem jede Menge lustig-bis spannende Anekdoten aus meinem Alltag, als Schwiegertochter einer vietnamesischen Familie..

Freitag, 9. November 2012

Ahnenverehrung


Ich habe mich im Laufe der Zeit hier immer mehr der vietnamesischen Lebensart
zugewand und den Grossteil der Lebensweise eines Vietnamesen übernommen.
Dazu gehört natürlich auch einer der wichtigesten Aspekte im vietnamesischen
Alltag: Die Ahnenverehrung.

Anh Tùng beim anzünden eines Raeucherstaebchens
Ich war zuvor keinerlei Glauben oder Religion zugewandt und mir seit jeher meine
eigene Glaubensweise zurechtgelegt. Dazu gehörte schon immer mein tiefer Glaube
an "Geister".

Beim Verrichten meines Gebetes
Das klingt jetzt so ein bisschen nach "Ghost-busters" oder so aehnlich, hat aber nichts
mit Spukgespenstern an sich zu tun sondern mit den Seelen unserer verstorbenen
Vorfahren und Mitmenschen.

Auch meine liebe Mama ist von der vietn.Ahenverehrung überzeugt
Von daher war ich sehr empfaenglich für die vietnamesische Ahnenverehrung,
die im Grunde im ganzen Land praktiziert und gelebt wird und sich durch saemtliche
Schichten des taeglichen Lebens hier zieht.

Eines der unzaehligen Geschaefte mit Zubehör für die Ahnenverehrung
So hat im Prinzip jeder(!) Haushalt in Vietnam mindestens eine separate Ecke,
oder wenn die Raeumlichkeiten dies zulassen ein ganzes Zimmer,
in dem ein Ahnenaltar aufgebaut ist.

Unser mit Opfergaben bestückter Ahnenaltar
Der Ahnenaltar ist ein sehr hoher, hölzerner Tisch, auf dem -wenn vorhanden-
Bilder unsererAhnen, sprich der verstorbenen Mitglieder der Familie drapiert
werden.

Ein typischer Ahnenaltar in Vietnam
Neben diesen Bildern gehört ein Gefaeß mit Sand zum abbrennen von Raeucher-
staebchen in der Mitte des Tisches, ein Gefaeß mit Salz, eines mit trockenen
Reiskörnern, ein kleines Porzellan-Teeservice -welches mit Wasser gefüllt wird,
dass man regelmaessig wechselt-, 2 Vorrichtungen für Kerzen, 2 Vasen für Blumen
und ein grosser Teller auf einem kleinen Sockel für Opfergaben sozusagen
zur Grundausstattung.

Der Altar meiner Schwiegermutter, schön zu erkennen die einzelnen Gegenstaende
Je nach Geldbeutel und tiefe des Glaubens, bereichern viele ihren "Bàn Thờ"
(den Ahnenaltar) mit blinkenden Buddha-Statuen, elektrische Kerzen,
leuchtende Seerosen, Götterstatuen, und reich verzierte Wandbilder aus Gold.

Hier ein reich verzierter Altar
Der Ahnenaltar sollte sich nach Möglichkeit an einem hohen Punkt des Hauses
befinden und dehalb ist der Raum in dem er aufgestellt wird meist unter dem Dach.

Opfergaben zu Anfang und Monatsmitte des Mondkalenders
Am Ersten und Fünfzehnten des Monkalenders, bringen wir unseren Ahnen dann
jeden Monat Opfergaben, zünden Raeucherstaebchen für sie an und beten zu ihnen.

Tellerchen mit Blütenköpfen
Die Opfergaben für diese regelmaessigen "Zeremonien", die sich "Thắp Hương"
nennen, sind recht einfach und bestehen lediglich aus einem kleinen Tellerchen,
auf dem sich eine "Trầu Cau"-Frucht mit Blatt befindet, von der ich leider nicht
weiss, wie sie auf Deutsch heisst, einem Tellerchen mit Blumen"köpfen",
einigen Früchten und dem von mir im Blog bereits einige Male beschriebenen
"Geistergeld", dem "Tiền Vàng".

Ein Teller mit der  "Trầu Cau"-Frucht
Dazu entfachen wir in ungerader Zahl (da dies sonst Unglück bringt) Raeucher-
staebchen "Nén Hương", die ich einfach als "Cây Hương" kenne
(wörtlich übersetzt soviel wie "Duftstab" - "Nén Hương" waere dann übersetzt
die Duft-Kerze - die Zeremonie "Thắp Hương" an sich demnach schlicht
Raecherstaebchen anzünden), entzünden dazu eine Zigarette und stecken diese
auf den Stab eines bereits benutzten Raeucherstaebchens. Brennt die Zigarette
bis auf den Filter herunter, ohne dabei die Asche zu verlieren, ist dies ebenfalls
ein gutes Omen. Danach sprechen wir zu unseren Vorfahren und kürzlich
verstorbenen Familienmitgliedern.

Das "Geistergeld - Tiền Vàng", dass wie echtes Geld aussieht
Wir bitten sie um Beistand oder Hilfe, erzaehlen von unseren Sorgen und Nöten
und berichten ihnen von den aktuellen Ereignissen innerhalb der Familie,
wie z.B. der Geburt eines Kindes, der Einschulung eines der Kinder,
einer neuen Arbeitsstelle, der Krankheit eines Angehörigen, einer bevorstehenden
Prüfung, einem Umzug oder einer wichtigen anstehenden Entscheidung, usw.

Ein paar einfach Früchte, hier: Drachenfrucht und Mango als Opfergabe
Die Ahnen bleiben schlicht Teil der Familie und den Geschehnissen innerhalb dieser
und man setzt sie über Veraenderungen und Neuem in Kenntnis und sucht
wie zuvor waehrend ihrer Lebzeit Rat bei ihnen und hofft auf ihre Unterstützung.

Die übliche Haltung beim beten zu den Vorfahren
Wenn jemand stirbt, bleibt dessen Seele hier und wacht über uns.
Nach Ende des "Gebetes", waehrend dessen die Haende flach aufeinender gelegt,
mit den Fingerspitzen nach oben zeigend vor der Brust oder dem Kopf gehalten
werden, verneigt man sich drei Mal oder hebt und senkt drei Mal die so formierten
Haende.

Auswahl der Opfergaben an Feiertagen
Neben diesen beiden Riten zum 1.und 15. des Mondkalenders "Âm Lịch", über den
ihr euch auf der "Mondkalender und Tierkreiszeichen"-Seite informieren könnt,
werden auch noch zu allerlei gesonderten Daten Opfergaben gebracht.

Set mit den Gefaeßen für den Altar
Zu diesen jaehrlich wiederkehrenden Anlaessen, die als "Thờ Cúng"
(übers. Verehrung) bezeichnet werden und die feste, vorgegebene Ablaeufe haben,
fallen die Gaben darüber hinaus viel reichlicher und auch unterschiedlich voneinander aus.

Wesentlich reicher Gaben zu besonderen Anlaessen
Für gewöhnlich beinhalten sie aber allesamt dann Schnaps, Zigaretten, verschiedene
"Papierwerke" zu denen ich gleich noch kommen werde, verpackte Süsswaren,
Unmengen an Früchten, ein mit Blütenköpfen verzierter Teller, Blumen für die und
grossen Vasen die sozusagen zur Grundausstattung des Altars gehören, Raeucher-
staebchen und riesige Silbertabletts gefüllt mit ausgewaehlten Speisen.

"Canh Măng" - eine Suppe mit vietnamesischen Spargel
Gemeinsam haben diese Speisetabletts normalerweise eine Schale Reis, einen Teller
mit "Xôi" - Klebreisgericht (das bei Kochen durch Zugabe gewisser Zutaten in allen
möglichen Farben angerichtet werden kann), "Thịt Gà" -Ein gekochtes Huhn,
"Canh Măng" - eine Spargelsuppe, ein Schaelchen mit Gewürzsalz und Zirone und
natürlich frische Früchte.

"Xôi" - Das Klebreisgericht, dass es in versch. Farben und Ausführungen gibt
Diese Menüs werden zu den diversen Feiern jeweils noch um einige Gerichte
ergaenzt wie zum Beispiel zum "Tết" - dem Neujahresfest um: "Chân Giò/
Nấm Hương" - Eisbein mit Shiitake-Pilzen, "Miến Nấu Lòng Gà" - Eine
Glasnudelsuppe mit Hühnerinnereien, "Nem rán" - gebratene Frühlingsrollen,
"Thịt Đông" - Sülze, ein Bratgericht, "Giò Lụa" - etwa wie Gelbwurst, "Nộm"
- Ein Salat und "Dưa Hành Muối" - eingelegte Scharlotten
(hoffe das schreibt man so).. :) Was hier zu diesem Anlass keinesfalls fehlen
darf ist: "Bánh Chưng" - der traditionell-, viereckige Neujahrs"kuchen",
der jedoch alles andere als süss ist ;)

Übersicht über die typsichen Speisen zur Neujahrs-Opfergabe
Insgesamt sollten es an Neujahr mind. 10 verschiedene Speisen sein, die aber je nach
den Geschmaeckern der Leute und den Beschaffungsmöglichkeiten ein klein wenig
variieren dürfen. Das Ganze ist ja immerhin keine Millitaerparade.

"Bánh Chưng" - der traditionelle Klebreiskuchen zu "Tết"
Beim Ritual für den Küchengott, dem unser Betragen im alten Jahr vorgetragen wird,
ist beispielsweise hingegen ein Mahl mit frisch gebratenem Fisch am wichtigsten.
Ansonsten sind die Speisen denen zu "Tết" aber recht aehnlich.

Die drapierten Gaben für den Küchengott
Das reich gefüllte Silbertablett zu "Tết" wird dann in der Neujahrsnacht auf dem
Grundstück drapiert-sofern man eines hat, was in Vietnam aber fast nurnoch auf dem
Land vorkommt würde ich sagen, ansonten eben auf dem Hausaltar- und gegen
Mitternacht werden schliesslich Raeucherstaebchen entfacht um zu beten und um
die Geistern und vielen Götter für das folgende Jahr wohlgesonnen zu stimmen.

Mögliche Speisenzusammenstellung zur Ehrung "Ông Thờ`s"
Zum Abschluss wird sich wieder 3 Mal leicht verneigt bzw die Haende geschwaenkt
und sobald die Raeucherstaebchen erloschen sind, werden die Speisen angerichtet
und im Kreise der Familie gemeinsam miteinander verzehrt.
Wie in allen anderen Situationen, spielt das Essen wie man sehen kann auch bei
der Ausübung des Glaubens eine der grössten Rollen.

Zu Neujahr werden die Ahnenverehrung nach Möglichkeit auf dem Grundstück vollzogen
Hinterher wird das vorhin von mir angesprochene Papierwerk in einem kleinen
Blechofen in Brand gesteckt. Darunter befindet sich das Geistergeld, dass in der Regel
auch zu den gewöhnlich Gebeten verbrannt wird und bei den gesonderten
Begebenheiten wie den beiden oben beschriebenen, zusaetzlich noch ganze Packete
gefüllt mit kleinen Papiergegenstaenden, zum Beispiel dem Kleiderset von "Ông Thờ"
dem Küchengott, mit winzigen Schühchen und dem was da so nach Hasenohren
anmutet: Seinem Kopfschmuck. Selbst miniatur-Pferde oder Autos gibt es.

Anh Tùng mit den Papierwerken zur Ehrung des Küchengottes
Für das Beten hat man übrigens sogar Vordrucke, nach deren Texten man sich richten
kann, wenn man möchte. Was man allerdings nicht unbedingt muss.
Überhaupt ist alles recht zwanglos. Es gibt zwar feste Ablaeufe und man findet
den Glauben so gut wie überall wieder: Sei es bei einer Geschaeftseröffnung, wo um
Erfolg gebeten wird, einer Heirat, wo das Paar vor dem Altar betet und um
Zustimmung und den friedvollen und glücklichen Verlauf der Ehe bittet,
der Geburt eines Kindes, bei dem für dessen Gesundheit und positive Entwicklung
gebetet wird, einem Hauskauf usw. Die Bauern bringen kleine Gaben an den Rand
ihres Feldes und bitten um eine üppige Ernte.

Mein Mann und meine Tochter ins Gebet vertieft
 Aber wenn jemand nicht zu jedem 1. und 15. des Mondmonates seine Opfergaben
bringt, oder an Neujahr lieber feiern geht, als Zuhause die Ahnen zu ehren,
wird derjenige deshalb nicht vom Glauben ausgeschlossen.

Abschiedskuss für das Pferd aus Papier, dass gleich den Flammen übergeben wird
Der Ahnenglauben ist allgegenwaertig in Vietnam und auch grosse Religionen wie das
Christentum oder zeitweise Verbote seitens wechselnder Machthaber oder Besatzer
konnten sich nicht gegen ihn durchsetzten.

Und am Ende darf man alles aufessen :)
Auch mit dem Tod wird hier ganz anders umgegangen, als z.B. in Deutschland,
Österreich, oder der Schweiz.
Das letzte wovon man bei einer Beerdigung in Vietnam sprechen kann ist eine
"stille" Trauerfeier, aber davon berichte ich euch im naechsten Eintrag dieser Reihe.