Willkommen auf meinem Blog

Auf dieser Seite findet ihr -in den verschiedenen Rubriken unter dem Titelbild- viele nützliche Infos rund um das Thema Vietnam und zudem jede Menge lustig-bis spannende Anekdoten aus meinem Alltag, als Schwiegertochter einer vietnamesischen Familie..

Dienstag, 17. April 2012

Modernes, weltoffenes Vietnam

Aktuell sitzen in der Haupstadt Hanoi 3 Blogger -allesamt Mitglieder des verbotenen Clubs freier Journalisten- auf der Anklagebank, denen in 421 Fällen Widersetzung gegen den Staat und die Verbreitung regierungsfeindlicher Propaganda vorgeworfen wird und denen im Falle einer Verurteilung Höchststrafen von bis zu 20 Jahren drohen.

Anlässlich dieser Meldung der (selbstverständlich staatlichen) Zeitung "Ho Chi Minh City Law", haben mein Mann und ich uns nicht schlecht gewundert, als unser Stepcke neulich von der Schule kam und berichtete, die Lehrerin hätte ihren Schützlingen aufgetragen, als Hausarbeit jeweils einen eigenen, ganz persönlichen Blog anzufertigen.

Ein Blog? Für eine zehn-jährige?!

Und das auch noch in einem Land, in dem die freie Meinungsäusserung ausdrücklich nicht erwünscht ist?!

Das bloggen war immerhin im "Nahen Osten" mitunter Auslöser für den arabischen Frühling.
In Ländern wie China oder bislang auch in Birma, verschwinden immer wieder aktive und politisch-engagierte Blogger von der Bildfläche, werden unter Hausarrest gestellt oder für viele, viele Jahre und Jahrzehnte hinter "schwedische Gardinen" gebracht.
Vietnam steht seinen "grossen Brüdern" in dieser Angelegenheit eigentlich nicht in sonderlich viel nach.
Was (zur Hölle) veranlasst somit diese Lehrein einer vierten Grundschulklasse, den Kindern aufzutragen, eben das zu tun? Zu schreiben, was sie denkt?

Mal ganz abgesehen davon, dass wir es für völlig unangebracht halten, unser Kind mit einer Medie herumspielen zu lassen, mit der- und mit deren  Auswirkungen sie in diesem Alter überhaupt noch nicht umzugehen vermag.
Zum Bloggen gehört meiner Meinung nach dann doch mindestens bereits ein Gefühl dafür, was man der Öffentlichkeit (immerhin der ganzen Welt!) für Informationen aus seinem Privatleben zur Verfügung stellen kann und sollte- welche man im Gegenzug besser das lassen sollte, was sie sind: nämlich privat und was für Konsequenzen die verkehrten Äusserungen unter Umständen mit sich bringen.
Von Internetmobbing, Verleumdungen und Attacken auf die eigene Person in dieser Altersklasse ganz zu schweigen.

Vielmehr beschäftigt uns aber die Frage, was für ein Sinn, bzw welche Motive hinter dieser Aufgabe stecken.

Eine befreundete Bloggerin, ebenfalls eines deutschprachigen Blogs aus und über Vietnam, hielt es neulich sogar für angebracht einen Kommentar zu einem ihrer Beiträge zu zensieren bevor er in die Veröffentlichung ging. Der Anlass war ihre Sorge einer allzu kritischen Meinungsäusserung von mir über unseren vietnamesischen Stammvater.
Wie legitim ist das? Steht es uns überhaupt zu, als Ausländer in diesem Land das System zu kritisieren oder anzuprangern und wie weit lehen wir uns dabei im Endeffekt wirklich aus dem Fenster?
Ich liebe mein Gastland. Vietnam hat wie jedes andere Land auf der Welt seine guten, aber leider nunmal auch seine schlechten Seiten.
Meiner Meinung nach hat Vietnam keinen Grund sich vor Kritik zu fürchten.
Ein Wandel weg von der Vetternwirtschaft wird sich auch so nicht aufhalten lassen.
Schon allein daher nicht, weil es bereits zum gewaltigen Sprung nach vorne angesetzt hat und sich somit der Welt öffnet - und wenn das Tor zur Welt offen steht, lässt sich auch ein Umschwung nicht mehr abwenden.

Das mein eigener Blog -wenn man das so sagen mag- politisch ebenfalls nicht immer ganz so korrekt ist, hat mir bisweilen trotzdem noch keinen Anlass zur Sorge gegeben, da er sich hauptsächlich mit privaten Dingen und Alltagserlebnissen auseinandersetzt.
Ist es insgeheim aber ein Spiel mit dem Feuer?
Und was ist mit anderen? Wieviel "Immunität" geniessen wir als Ausländer? Wie "unantastbar" sind wir?
Riskiere ich vielleicht-ohne es zu wissen- die Verlängerung meines Visums oder gefährde den geplanten Antrag auf die vietnamesische Staatsbürgerschaft?
Mir bleibt einzig zu hoffen, dass dem nicht so ist denn darauf zu verzichten, die Dinge beim Namen zu nennen, würde sich vermutlich nicht mit meinem Charakter vereinbaren lassen.

Was unsere Kleine anbelangt, haben wir die gewagte These aufgestellt, dass genau diese unschuldige und unbedachte freie Meinungsäusserung eines Kindes das Ziel sein könnte.
Frei nach dem Motto: Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser!
Ich meine was wird so ein Mädchen von 10 Jahren denn schon schreiben?

"Gestern bin ich mit meiner besten Freundin Thi Fahrrad gefahren. Sie hat von ihren Eltern ein brand-neuse Bike bekommen. Ganz in rosa und mit Fähnchen am Lenker. So eines will ich auch! Meine Eltern haben aber gesagt, dass wir uns das im Moment nicht leisten können und dann wieder auf die hohen Preise geschimpft. Daran sind nur "die da oben" verantwortlich, sagen sie. Wen sie wohl damit gemeint haben?! 
Ist mir auch schnuppe. Jedenfalls kriege ich deswegen mein Fahrrad nicht." :(

Sicher würde sie einfach sagen was sie denkt. Frei jeglicher "Zensur" oder "Berrechnung".
"Meine Eltern, Tante, Onkel, Nachbarin oder grosse Schwester hat dies oder jenes gesagt oder getan.."
Der perfekte kleine Spion sozusagen und so ein "Online-Tagebuch" zudem die perfekte "Akte" über Gedankengut und Aktivitäten des Umfeldes des betreffenden Kindes.

Gerissen wäre es - ohne Frage.
Allerdings fast schon zu ungeheurlich, um wahr zu sein. Oder etwa nicht?!

Wir schliessen aber auch nicht aus, dass die Kleine lediglich mal wieder was in den falschen Hals gekriegt hat, oder die Geschichte sogar nur von ihr ausgedacht sein könnte, damit wir ihr das Anlegen solch eines Blogs gestatten, weil vielleicht Klassenkammeradinnen oder Freunde bereits so was haben.
Bleibt abzuwarten, was daraus wird. Sollte das Ganze nämlich tatsächlich der Wahrheit entsprechen, denke ich, dass sich sicherlich nicht wenig Eltern gegen sowas quer stellen würden.
Denn gänzlich ohne Mitspracherecht und Entscheidungsfreiheit ist Vietnam in diesen Tagen nicht mehr.